Unser Fokusthema “Kreislauf” bezieht sich auf das Konzept der Kreislaufwirtschaft, das darauf abzielt, Ressourcen effizient zu nutzen, Abfall zu minimieren und Produkte sowie Materialien so lange wie möglich im Wirtschaftskreislauf zu halten. Dieses Prinzip ist eine Antwort auf das traditionelle Wirtschaftsmodell von “produzieren, verwenden, entsorgen” und setzt so ein wichtiges Zeichen für Nachhaltigkeit.
Immer mehr Gastronom:innen schreiben sich Nachhaltigkeit auf die Fahne und anstatt nur davon zu reden, leben und handeln sie danach. Lorenzo Dal Bo ist einer davon und wir hatten die Möglichkeit mit ihm darüber zu reden. Der junge Koch aus Bologna hat viel gesehen, schon im Noma in Kopenhagen und im Central in Lima gearbeitet und betreibt heute das BRENSO mitten in Zürich.
Inwiefern schaust du in deinem Restaurant auf Nachhaltigkeit? Was unterscheidet das BRENSO von anderen Restaurants diesbezüglich?
Nachhaltigkeit hat drei verschiedene Aspekte: wirtschaftlich, sozial und ökologisch. In meinem Restaurant versuche ich, Lösungen für alle drei zu finden. Wenn die richtigen wirtschaftlichen Ressourcen fehlen, kann man den Mitarbeiter:innen nicht das angemessene Gehalt zahlen, das sie verdienen. Ebenso benötigt man Geld für die richtigen Produkte. Wir arbeiten mit kleinen Produzent:innen zusammen, wie beispielsweise Slow Grow, die frisches und saisonales Gemüse ohne Gewächshäuser anbauen. Das Sauerteigbrot beziehen wir von Tsugi, einer Mikro-Bäckerei in Wipkingen und das Fleisch stammt von Holzenfleisch. Letzterer ist ein Fleisch-Produzent, der eine artgerechte Haltung und natürliche Lebensräume gewährleistet, in denen die Tiere ihre natürlichen Instinkte ausleben können. Auch auf hochwertiges und natürliches Futter wird geachtet. Ausserdem erhalten die Tiere genügend Zeit, um natürlich zu wachsen.
Die Verwendung lokaler und saisonaler Produkte ist gut, reicht aber leider nicht aus. Wir versuchen daher, den Kauf von verarbeiteten Lebensmitteln, unnötigen Verpackungen und Einwegartikeln zu vermeiden. Am wichtigsten erscheint es uns, Einwegplastik zu vermeiden, wie z.B. Vakuumbeutel, Cellophan und Einweghandschuhe. Wenn Plastik verwendet wird, dann versuchen wir, alles zu recyceln. Wir arbeiten mit Wecycle zusammen, einem Unternehmen, das hilft, den Müll ordnungsgemäss zu trennen und zu recyceln. Wir möchten auch sozial nachhaltig arbeiten. Das heisst, wir schaffen ein Umfeld, in dem Menschen gerne arbeiten und dem Restaurant darum auch treu bleiben. Wenn immer mehr Menschen der Gastronomie den Rücken kehren, müssen wir uns fragen, warum das so ist und was wir tun können, um dies zu ändern. Es ist nicht das Geld, das den Unterschied macht. Menschen bleiben an einem Ort, weil sich sich weiterentwickeln können, eine Zukunft sehen und Spass haben.
Was sind die Herausforderungen für dich als Gastronom, wenn man die Nachhaltigkeit ernst nimmt? Weshalb ist es so schwierig, wenig bis keinen Food-Waste zu generieren?
Das System ist nicht auf Nachhaltigkeit ausgelegt. Zudem sind es sich viele Menschen auch nicht gewohnt. Wenn man sich beispielsweise einen Blumenkohl anschaut, denken die meisten, dass man nur die Röschen verwenden werden kann, dem ist aber nicht so. Auch Strunk und Blätter sind geniessbar. Nachhaltig zu sein und Lebensmittelabfälle zu vermeiden, wäre eigentlich gar nicht so schwer. Man muss in der Lage sein, um die Ecke zu denken. Wenn man neugierig und kreativ ist, gelingt es einem, sein eigenes Mindset aufzubauen. Am schwierigsten ist es, mit jeder Entscheidung alle drei Aspekte der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen: wirtschaftlich, sozial und ökologisch.
"Nose-to-Tail" ist ebenfalls ein Thema, dem du dich annimmst. Bei dir gibt’s Rindszunge und eine hausgemachte nose to tail Schweinswürstchen. Was reizt dich daran? Wie reagieren deine Gäste darauf? Und wieso gibt’s vielerorts noch immer nur die besten Stücke vom Fleisch?
Im Allgemeinen ist es egal, ob wir über Fleisch oder Pflanzen sprechen. Die Philosophie bei BRENSO ist es, das ganze Produkt zu verwenden und keine Lebensmittelabfälle zu erzeugen. Wenn man sich dafür entscheidet, das Ganze zu verwenden, ist man auch an der Quelle und stellt sicher, dass keine Lebensmittelabfälle entstehen. Zero-Waste-Kochen bietet oft schöne Überraschungen, denn jene Teile des Lebensmittels, die oft verschwendet werden, sind meist auch die interessanteren, weil sie nicht der Norm entsprechen und für viele neu sind.
Weiter geht es auch um Kultur, Vertrauen und die Beziehung zum Essen. Kulturell im Sinne von Familientraditionen. Normalerweise bestellen die Menschen nicht jenes Gericht, das sie nicht kennen, sondern das, was ihnen bekannt ist. Wenn sie also ein Gericht nicht kennen, wählen sie es nur dann aus, wenn sie den Menschen, die es kochen oder servieren, auch vertrauen. Leider sind wir in unserer Gesellschaft daran gewöhnt, einen sehr komfortablen Lebensstil zu haben. Die meisten Menschen wollen immer alles zu jeder Zeit, ohne die Konsequenzen zu bedenken. Gastronomen und Köche servieren die besten Stücke wie Filet, weil sie so sicher sein können, dass das Essen verkauft wird. Daher brauchen wir mehr aufgeschlossene Gäste oder gutes Personal, das die Gäste überzeugen kann, etwas Neues auszuprobieren. Wir suchen nach Techniken, um es einfacher zu machen, die Nose-to-Tail-Philosophie umzusetzen. Die Leute werden sehr skeptisch, wenn es um die inneren Teile des Tieres geht. Man kann das in der Küche ändern, indem man die Innereien so zubereitet, dass sie schmecken. Wir servieren zum Beispiel Rinderleber als Paté oder die inneren Teile des Schweins zusammen mit Schweinefleisch in einer Wurst. Der Wurst fügen wir auch etwas Süsse und Säure hinzu, nämlich karamellisierte Zwiebeln und Orangenschale. Auf diese Weise essen die Menschen die inneren Teile des Tieres, ohne es wirklich zu merken. So kann der Zugang zu Innereien oder unüblichen Teilen vereinfacht werden.
In der Gastronomie fallen ca. 8% Food-Waste an. Welche Tipps würdest du den Gastronom:innen geben, um nachhaltiger zu kochen und zu wirtschaften?
Mit dem zu arbeiten, was die Umgebung zu bieten hat, ist der erste Schritt in die richtige Richtung. Man kann die Leute nicht davon abhalten, Restaurants zu eröffnen, die Gemüse, Fleisch und Fisch von weit her verwenden, aber man kann versuchen, den Leuten zu helfen, zu verstehen, wie ein nachhaltiges Ernährungssystem funktioniert. Restaurants sollten mit dem lokalen Netzwerk von Bauern und Produzenten zusammenarbeiten. Wenn man sich informiert und damit auseinandersetzt, lernt man mit spannenden, unbekannten Teilen von Pflanzen und Tieren zu kochen und eine ganz neue Welt eröffnet sich.
Welche Tipps hast du für Haushalte?
Lerne mit Freude für dich zu kochen und plane es ein. Die Zubereitung umweltfreundlicher Gerichte braucht oft etwas Zeit. Nutze alles von der Wurzel bis zum Blatt, denn der wahre Geschmack steckt oft im Stiel oder im Strunk. Als kleine Anregung für die bevorstehende Spargelsaison: Spargel ist ein sehr elegantes Gemüse, aber es gibt nur einen Teil, den alle essen möchten, nämlich Kopf und oberer Stiel. Die anderen Teile, Schale und der untere Teil des Stiels, müssen aber nicht weggeworfen werden. Denn daraus lässt sich ein Spargelrisotto zaubern.