“Mit 16 traute ich mich noch nicht in eine professionelle Küche”
Die zwei besten ausgezeichneten Nachwuchstalente der Schweiz wirken in Zürich: Athina Karavouzi kocht im «Hyatt», Fynn Thielen im «Dolder». Warum die Zeit des ruppigen Umgangstons vorbei ist und warum sich der Stress trotz allem lohnt, erklären die Lehrlinge im Interview. Und auch wie man von der ungenügenden Note im Hauswirtschaftsunterricht vielleicht einmal zum Michelin-Stern kommt.
Ihr gehört zu den besten Nachwuchsköch:innen der Schweiz und besucht beide die Talentklasse. Woher kommt dieses Feuer in euch drin, etwas erreichen zu wollen?
Fynn: Wenn ich etwas mache, will ich das Bestmögliche rausholen. Egal, was es ist. Schon als Zehnjähriger habe ich mir für meine Eltern ein Menü ausgedacht, das ich ihnen dann gekocht habe. Wenn auch ein Simples (lacht). Für den Kochwettbewerb «gusto22» habe ich mich monatelang intensiv vorbereitet. Wenn ich schon mitmache, dann richtig. (Anmerkung der Redaktion: Fynn hat den Wettbewerb «gusto22» gewonnen und gilt als bester Nachwuchskoch der Schweiz.)
Wann habt ihr eure Lust zum Kochen entdeckt?
Athina: Bei mir hat sich das erst in der Oberstufe entwickelt. Ich war im Hauswirtschaftsunterricht immer ungenügend und dachte, das kann’s doch nicht sein. Zuhause habe ich alle Kochbücher studiert, die ich gefunden habe. Dann sprang der Funke und ich konnte fast nicht mehr aufhören zu kochen. Schliesslich habe ich als Maturaarbeit ein Kochbuch geschrieben.
Warum hast du zuerst die Matura gemacht?
Athina: Ich habe mir schon Ende Oberstufe überlegt, die Kochlehre zu machen. Aber ich traute mich als 16-jährige junge Frau noch nicht in eine professionelle Küche. So habe ich zuerst die Matura absolviert und danach direkt meine Kochlehre gestartet.
Die Gastro-Branche ist ja leider auch bekannt für den grossen Druck in der Küche, die hohe Leistungsbereitschaft und manchmal auch den ruppigen Umgangston. Manche zerbrechen daran… wie geht ihr damit um?
Fynn: Ja, es herrscht leider immer noch bei vielen eine ruppige Küchenkultur, die so nicht mehr lange bestehen wird. Man findet so einfach keine guten Leute mehr. Es ist Zeit, dass man sich auch in den Küchen freundlich ausdrückt. Das ändert sich bereits, doch dieser Wandel braucht etwas Zeit. Ein Vorbild ist für Athina und mich die Köchin Tanja Grandits. Wir kennen sie noch nicht persönlich, aber der Umgangston bei ihr soll ziemlich angenehm sein.
Wie geht ihr mit Stress in der Küche um?
Athina: Man sollte immer zuhören, auch wenn es etwas lauter wird. Aber man sollte das nie zu ernst nehmen und schon gar nicht persönlich. Solche Ausbrüche haben kaum was mit der eigenen Person zu tun, sondern entstehen meist aus der Situation heraus. Und was auch hilft: Poweryoga (lacht). Damit entspannt man den Körper vom vielen Stehen und kann auch mental runterfahren.
Warum lohnt sich für euch der ganze Aufwand?
Athina: Die Arbeitszeiten, der Stress, die körperliche Anstrengung – das alles lohnt sich, wenn mein Teller vollkommen aussieht und der Gast glücklich ist. Zudem kann ich mit diesem Beruf die ganze Welt bereisen und kann mit dem Kochen Kunst und Wissenschaft verbinden.
Fynn: Der Beruf besteht aus viel Handwerk, aber auch viel Theorie. Ich finde es faszinierend, was man aus einer ganz normalen Grundzutat wie einer Karotte alles zubereiten kann. Dafür braucht es Wissen, aber auch Ideen aus dem Internet oder der Austausch mit anderen Köch:innen inspirieren mich zu neuen Rezepten. Ich möchte immer einen Schritt voraus denken.
Nachhaltigkeit ist bei FOOD ZURICH ein wichtiges Thema. Wir verfolgen Trends und schauen, wie wir uns als immer stärker wachsende Bevölkerung ernähren können, damit unser Planet keinen Kollaps erleidet. Ist Nachhaltigkeit in euer Ausbildung ein Thema?
Athina: In der Berufsschule orientieren wir uns vor allem an der traditionellen französischen Küche. Wir hatten bisher ein Kapitel über vegetarische Ernährung. Im «Hyatt» schauen wir, dass wir kein Essen verschwenden. Essen ist Nahrung und wir sollten dankbar dafür sein und so sparsam wie möglich damit umgehen.
Fynn: Bei uns im «Dolder» kochen wir für das A-la-Carte-Menu hauptsächlich saisonal und regional. In der Patisserie sieht das wie an vielen Orten immer noch ein bisschen anders aus, da verwendet man auch mal im Winter Erdbeeren für ein Dessert.
Ihr seid im 2. Lehrjahr. Was ist euer Traum für später?
Fynn: Mich interessiert die Lebensmitteltechnologie. Ich will lernen, wie man ein Produkt von Grund auf entwickelt. Vielleicht mache ich einen Abstecher dorthin, um danach wieder als Koch zu arbeiten. Vielleicht koche ich aber auch zuerst einige Zeit im Ausland.
Athina: Ich will für eine längere Zeit nach Dänemark, um im Restaurant «Alchimist» zu arbeiten. Rasmus Munk verbindet dort Kunst mit Kochen und Wissenshaft. Und jedes seiner Gerichte hat eine Botschaft, einen Hintergrund. Er macht zum Beispiel auf die Meeresverschmutzung aufmerksam oder animiert seine Gäste zum Blutspenden. Ich will auf jeden Fall Köchin bleiben und vielleicht auch mal einen Stern erkochen. Oder zwei, oder drei.
Zu den Personen:
Die zwei besten Schweizer Nachwuchstalente wirken in Zürich: Athina Karavouzi kocht im «Hyatt», Fynn Thielen im «Dolder». Die beiden sind im zweiten Lehrjahr ihrer Kochlehre und besuchen beide die Talentklasse. Dort werden überdurchschnittlich leistungsstarke Lernende speziell gefördert; jährlich sind das ungefähr 18 Schüler:innen. Im Nachwuchswettbewerb «gusto22» vor rund zwei Monaten haben sie sich mit sieben anderen Teilnehmer:innen aus der Schweiz für den Final qualifiziert und brilliert: Fynn Thielen wurde Erster, Athina Karavouzi Zweite.